Von einem Tag auf den anderen wurde die Kinderfrau meine Mutter, und ich hielt das für selbstverständlich
Meine Mutter beschaffte für mich Dokumente, die bezeugten, dass ich ihr leibliches Kind war. Sie gab mir ihren Namen und ließ mich auf die Namen Irena Stanisława taufen. Ich war ein Kind und mir weder der Gefahr bewusst, die uns drohte, noch der Last, die meine Mutter zu bewältigen hatte. Sie musste sich vor ihren eigenen Geschwistern verstecken, die es abgelehnt hatten, meine Familie zu verstecken und damit drohten, uns den Deutschen auszuliefern. Der Tod meines Vaters und meines Bruders brachte die Kinderfrau fast um den Verstand, weil sie sich schuldig fühlte, sie nicht gerettet zu haben.
Nach der Befreiung beschloss meine Mutter, die Ukrainerin war, mit mir nach Polen auszureisen. Nach einer Reise, die zwei Monate dauerte, befanden wir uns in Opole [Oppeln]. Wir wohnten hoch oben unter dem Dach, ohne Wasser und Kanalisation, aber wir waren glücklich, dass wir noch lebten und zusammen waren. Ich war ein fröhliches Kind – die Liebe meiner Mutter war Entschädigung für alle tragischen Erlebnisse. Mitunter wurde unsere Ruhe durch Besuche Unbekannter gestört, die mich gegen beträchtliche Geldsummen mitnehmen wollten. Heute weiß ich, dass sie aus Israel kamen.
Meine Mutter hatte keinen Beruf gelernt, sie hatte nur drei Klassen einer ukrainischen Volksschule besucht und konnte kaum Polnisch lesen und schreiben. Unseren Lebensunterhalt verdiente sie mit Schwerarbeit als Maurergehilfin in einer Zementfabrik. Bei aller Armut schaffte sie es, dass ich mein Studium abschließen konnte. Ich half ihr so gut ich konnte; ich gab Nachhilfeunterricht und fuhr als Erzieherin mit in Ferienkolonien. Meine Mutter war stolz auf mich und liebte mich wie ihre eigene Tochter. Meinetwegen heiratete sie nicht.Ich war ihre wahre Familie und sie meine. Als ich die Wahrheit über meine Herkunft und den tragischen Tod meiner Eltern erfuhr, änderte sich unsere Beziehung nicht. Ich fühlte mich weiterhin als ihr Kind. An diesem Gefühl wird sich auch nichts ändern.