Meine Adoptivmutter bot mir eine glückliche und liebevolle Kindheit.
Stanisława Bussold war Hebamme und arbeitete mit der „Żegota”* zusammen. Sie streifte sich eine Armbinde mit dem Davidstern über und ging ins Ghetto, um Geburtshilfe zu leisten. Sie brachte auch Kinder von Jüdinnen zur Welt, die sich auf der arischen Seite* versteckt hielten; außerdem nahm sie jüdische Kleinkinder in ihr Haus auf, denen sie später Plätze in polnischen Familien vermittelte. Ich blieb ständig bei ihr. Sie ging damals auf die 60 zu, ihre Kinder waren erwachsen und sie selbst war bereits Witwe. Ich erhielt von ihr unglaublich viel reife, volle und bewusste Liebe. Zudem hatte ich eine geliebte und liebende Kinderfrau, Janina Peciak. Ihre mütterlichen Gefühle waren auch auf mich gerichtet. Ich war ein sehr verwöhntes Kind; denn alle in meiner Umgebung gaben sich Mühe, dass es mir so gut wie nur möglich ging.
Meine Mutter schützte mich vor einer verfrühten Kollision mit meiner Geschichte. Sie wollte mir den Stress ersparen und konnte sich nicht vorstellen, dass ich selbst entdecken könnte, dass sie gar nicht meine Mutter war. Sie hatte Angst um mich; sie wollte nicht zulassen, dass eine der Organisationen, die nach jüdischen Kinder suchten, die den Holocaust überlebt hatten, auch nach mir suchte – um mich dann in einer jüdischen Familie unterzubringen. Ich begriff das erst viele Jahre später, als man mir in den USA eine Liste mit Namen von Kindern zeigte, die aufgefunden, aufgekauft und dann nach New York gebracht werden sollten. Auf dieser Liste entdeckte ich mich als eine Fünfjährige.
Ich war 17, als ich zufällig erfuhr, das alles, was ich über mich weiß, überhaupt nicht stimmte. Meine Mutter hatte mich nicht geboren, sondern sich nur eines sechs Monate alten Säuglings angenommen. Meine Eltern und meine Familie sind umgekommen und ich bin ein jüdisches Kind, das durch ein Wunder gerettet wurde. Ich wollte meiner Mutter gegenüber nicht illoyal sein, indem ich ihr weh tat. Also sprachen wir jahrelang nicht darüber. Als meine Tochter ein halbes Jahr alt war, verstand ich, was es für meine Mutter hatte bedeuten müssen, sich von ihrem Kind zu trennen. Plötzlich hatte ich es begriffen. So begann ich, nach Spuren meiner jüdischen Familie zu suchen.
Meine beiden Mütter, die nicht mehr leben, sind bei mir und werden bei mir sein bis an mein Lebensende. Ihre Anwesenheit erinnert mich daran, dass nichts vernichtender ist als Hass und nichts wertvoller als menschliche Güte.